Blutrotes Kobalt – Der Kongo und die brutale Realität hinter unserem Konsum von Siddharth Kara
Was weißt du über Kobalt? Ich kannte es nur von einem Geschirr meiner Mutter, welches höchstens an Weihnachten aus dem Schrank geholt wurde und per Hand gespült werden musste, da sonst das Blattgold und der kobaltblaue Streifen kaputt gehen würden. Ein sehr schönes Geschirr! Aber was Kobalt nun eigentlich ist und wofür es verwendet wird, davon hatte ich keine Ahnung. Und ganz ehrlich: ich habe mir bisher auch keine Gedanken darüber gemacht.
Kobalt oder eigentlich Cobalt ist ein silbergraues, hartes, eher sprödes Metall, welches bereits seit 1739 bekannt ist und das hauptsächlich im Kongo und Sambia vorkommt. Es gibt natürlich auch noch in anderen Regionen der Welt Kobaltvorkommen, aber die Demokratische Republik Kongo (DRK) hat wohl die größten Erzlagerstätten. Kobalt kommt nie rein vor, es ist immer an einen „Träger“ gebunden, in der DRK ist das Kupfer.
Wozu braucht man nun Kobalt? So viele Geschirre und Gläser aus Kobalt werden doch heutzutage gar nicht mehr benötigt! Kobalt ist ein wichtiger Bestandteil in (wiederaufladbaren) Batterien. Da wir innerhalb der letzten Jahre einen enormen Mehrbedarf an technischen Geräten wie Laptops, Tablets und Smartphones haben, muss also immer mehr Kobalt herbeigeschafft werden. Auch die Autoindustrie benötigt mehr und mehr Kobalt für ihre Elektroautos.
Uns im Westen wird von den führenden Technikanbietern immer wieder suggeriert, dass ihre Ware frei von Kinderarbeit und fair sei. Kann das stimmen? Ist der Kolonialismus und die Sklaverei wirklich „ausgerottet“? Siddarth Kara, ein Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivist, hat über mehrere Jahre die DRK und ihre Kobaltminen besucht, Kontakte zu den Menschen aufgebaut und unzählige Interviews geführt. Dabei hat er das Leid und Elend der Menschen, die von Machthabern der Regierung, Milizen, Militärs und am Ende auch der Abnehmer im Westen, abhängig sind und für ihre harte Arbeit nur einen Hungerlohn erhalten, dargestellt. Anhand von einzelnen Familien oder Personen zeigt er wie die DRK seit Jahrhunderten erst von den Belgiern, dann von den eigenen Landsleuten ausgebeutet und zerstört wurde.
Kara erzählt von Kindern, die in den handwerklichen Minen und Stollen nach Kobalt graben, weil ihre Eltern, entweder das Schulgeld nicht mehr bezahlen können oder schlichtweg tot sind. Junge Mädchen von 14 Jahren, die Kobalt waschen oder auch danach graben und dabei ihre Babys auf dem Rücken tragen, die den Staub bereits in den Lungen haben, bevor sie auch nur einen Schritt selbst gegangen sind. Und nach 12-14 Stunden harter Arbeit bekommen sie vielleicht gerade mal 0,40$ für ihre Arbeit. Der nächste Zwischenhändler erhält vielleicht schon 5$ und der nächste 40$ und am Ende zahlen wir für ein Smartphone gerne mal 1200€. Finde den Fehler!
Keiner von uns hier im Westen würde auch nur einen halben Tag unter diesen Umständen arbeiten wollen, geschweige denn so einen Tag überleben, aber ohne unsere Endgeräte können und wollen wir nicht mehr sein. Zu sehr hängt unser Leben davon ab. Soziale Medien, Homeschooling, HomeOffice… um nur ein paar Einsatzbereiche dieser wunderbaren Technik zu nennen.
Das Buch rüttelt auf, zeigt, wie sehr der Kolonialismus und Sklaverei noch immer unter uns leben. Wir profitieren von dem Überlebenswillen der Kongoleser, die oft keine Chance haben, als ihre Kinder in den Bergbau zu schicken, ohne Sicherheiten, ohne Essen und immer mit der Angst eines Grubenunglücks, von dem wir hier im bequemen Westen natürlich nie etwas hören. Auf Nachfrage bei Google, Apple und Co hört man immer nur ein „Wir unterstützen keine Kinderarbeit!“ Aber die Realität sieht leider ganz anders aus. Wenn ein Kind nach Kobalt gräbt und ein Zwischenhändler es ihm für wenig Geld abkauft, diesen Sack dann zu einem weiteren Händler bringt und dieser das Kobalt dann an die große Firma verkauft, kann niemand nachprüfen, unter welchen Bedingungen das Erz abgebaut wurde. Und es will, seien wir mal ehrlich, doch auch niemand wissen.
Eine, für mich, wichtige Frage ist auch: Was kann getan werden, um die Bedingungen in der DRK langfristig für alle zu verbessern und Kinderarbeit zu stoppen und Kindern ein lebenswertes Leben zu ermöglichen, mit Bildung, Spiel und Spaß? (Natürlich muss man sich an der Stelle auch für die Einstellung der Kinderarbeit auf der ganzen Welt einsetzten, hier ging es aber ausschließlich um die DRK). Kara sagt dazu eigentlich klar, dass der Fisch vom Kopfe her stinkt, denn die Regierung und Präsident Mobuto hatte die DRK jahrzehntelang ausgebeutet und kleptokratisch geführt. Die darauffolgenden Machthaber konnten und wollten nicht viel ändern und so wurde und wird das Land und die Bevölkerung weiterhin schändlich ausgebeutet. Die DRK ist eigentlich ein unglaublich reiches Land, da es viele Bodenschätze hat, aber durch den Raubbau, die Korruption und die Respektlosigkeit gegenüber Mensch und Land, ist die DRK heute eines der ärmsten Länder der Welt. Was für eine große Ungerechtigkeit! Würde es eine Regierung geben, die nicht nur ihre eigenen Taschen füllen möchte, sondern das Wohl der Bevölkerung mehr in den Fokus nehmen würde, die DRK und ihre Bewohner würden ein besseres Leben führen können und der Wohlstand wäre besser verteilt. Aber das scheint mal wieder ein frommer Wunsch zu sein, denn welcher Machthaber gibt freiwillig seine Macht und sein Geld auf um es mit denen zu teilen, die seinen Reichtum tagtäglich „freiwillig“ mehren?
Das Buch hat mich wirklich gepackt. Ich habe geweint und war entsetzt. Wollte mein iPhone, auf dem ich das Buch gehört habe, am liebsten wegschmeißen. Aber wem würde das nützen? Was können wir, angesichts dieser großen Ungerechtigkeit in unserer Welt tun? Unseren unbändigen Wunsch nach immer neueren und größeren und besseren Geräten zügeln? Das wäre eine Möglichkeit. Ich selbst habe mir dieses Jahr zum ersten Mal einen wirklich neuen Laptop gekauft. Bisher waren es immer gebrauchte Geräte, die mir noch Jahre gute Dienste getan hatten. Mein Telefon ist fast zwei Jahre alt und auf die Frage meines Mobilfunkanbieters, ob ich nicht vielleicht mal wieder ein neueres Gerät haben wollte, sagte ich nur, „Nein, wozu denn? Mein Smartphone funktioniert einwandfrei!“ Ich passe allerdings auch immer sehr gut auf meine Geräte auf. Und das wird sich vermutlich nach diesem Buch noch verstärken und ich werde meine Kinder zu mehr Vorsicht und Nachhaltigkeit ermahnen. Das ist allerdings eine nicht ganz einfache Aufgabe denn Kinder zwischen 8 und 19 haben nicht immer den nötigen Weitblick um zu verstehen, warum ein guter und nachhaltiger Umgang mit unseren Ressourcen wichtig ist und darüber hinaus werden sie täglich mit gegenteiligen Informationen berieselt. Aber je häufiger sie darüber hören, desto besser können sie es verstehen, so meine Hoffnung.
Zum Schluß möchte ich hier noch ein Zitat aus dem Buch schreiben, welches mich wirklich sehr berührt und immer wieder entsetzt:
„Im Kongo stirbt jeden Tag mindestens ein Kind, damit wir im Westen jeden Tag mit unseren Smartphones ins Internet gehen können!“
Denk mal drüber nach!